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Unterlagen der Neuen Baumwollspinnerei Bayreuth im Stadtarchiv Bayreuth

Bestandsgeschichte

Am 23.01.1992 erhielt das Stadtarchiv Bayreuth von der Neuen Spinnerei Bayreuth Unterlagen als Schenkung, nachdem die Fabrik in Konkurs gegangen war und abgewickelt wurde.

Dieser Bestand wurde im April und Mai 2022 im Rahmen eines Pflichtpraktikums des Bachelorstudiums “Europäische Geschichte” erschlossen und technisch bearbeitet (entmetallisiert und alterungsbeständig verpackt).

Zum Bestand

Der Bestand zur Neuen Baumwollenspinnerei Bayreuth und umfasst neben Geschäftsunterlagen, Unterlagen zu Betriebsveranstaltungen und sonstigen Unterlagen eine umfangreiche Sammlung an Foto-Aufnahmen vom Werk, der Belegschaft und den Betriebsveranstaltungen der NSB.

Blick auf den fachgerechte verpackten und eingelagerter Bestand der Neuen Baumwollspinnerei in den Magazinen des Stadtarchivs Bayreuth
Blick auf den fachgerecht verpackten Bestand der Neuen Baumwollspinnerei im Magazin des Stadtarchivs Bayreuth

Die Neue Baumwollenspinnerei Bayreuth von ihrer Gründung bis zur Werksschließung

Festschrift: Auszug aus der Festschrift 50 Jahre Arbeit im Alltag
StABT NSB Nr. 58 Festschrift: 50 Jahre Arbeit im Alltag

Die Neue Baumwollenspinnerei Bayreuth wurde am 19.01.1889 von Carl Schüller, der erster Direktor der NSB wurde, und Otto Rose gegründet. Bald schon wurde die NSB zum größten Arbeitgeber Bayreuths. Eigenen Aussagen nach gründete Carl Schüller die NSB, um der Stadtbevölkerung Bayreuths mehr Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen[1]. Dieses philanthropische Motiv erscheint reichlich hochtrabend, doch schon einige Jahrzehnte nach der Gründung der Neuen Baumwollenspinnerei Bayreuth benannte die Stadt 1928 von sich aus die Straße vor der Fabrik nach dem Gründer der NSB in Carl-Schüller-Straße um[2].

Die NSB baute vorbildlich ihr Werk aus (so entstand in den Jahren 1953-1954 die Färberei I und 1962-1963 die Färberei II), das auch weitläufige Anlagen für ihre Belegschaft umfasste. Diese reichten von einer Schrebergartenkolonie, über Gemeinschaftsanlagen bis zu einer Werkssiedlung. Auf dem Grundstein dieser Anlagen, zusammen mit den Bauten der Mechanischen Baumwollspinnerei Bayreuth (MBS), basiert bis heute ein ganzer Stadtteil Bayreuths. Das Werk lag bis zur Erweiterung Bayreuths in den 1970er Jahren kurz vor oder an der äußeren Grenze der Stadt. Dies ist auf älteren Fotografien deutlich zu erkennen und erst die neuesten Aufnahmen zeigen das Werksgelände inmitten der städtischen Bebauung.[3] Das Fabrikgelände befindet sich in dem Areal zwischen der „Gutenbergstraße“ und „An der Feuerwache“, stadteinwärts vom Nordring. Das einstig geschlossene Werksgelände wird heute von der „Spinnereistraße“ durchzogen. Die Gemeinschaftsanlagen der NSB lagen auf der gegenüberliegenden Seite der Gutenbergstraße, da wo heute die Hausnummern 16 bis 22 liegen. Das Gemeinschaftshaus mit dem großen Saal wurde durch einen DM-Markt mit einer Brunner-Bäckerei ersetzt. Die Werkskolonie lag in dem Eck zwischen der Gutenbergstraße und der Munckerstraße, vom Berliner Platz nach Norden hin. Ursprünglich wurde die Straße vor dem Werk zur Bahnhofstraße nach dem Gründer der NSB Carl-Schüller-Straße umbenannt, heute ist die Carl-Schüller-Straße nicht mehr mit dem ehemaligen Gelände der NSB verbunden.

Die NSB war für eine lange Zeit der größte Betrieb Bayreuths. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten in der NSB über 1.000 Mitarbeiter (1938 ca. 1.200 und 1939 1.111 im Durchschnitt und 1.300 als Spitze), im Verlaufe des Krieges sank diese Zahl immer weiter, wobei es Zwangsarbeiter waren, welche die im Militär und für staatspolitische Aufgaben eingebunden Mitarbeiter ersetzten. Unmittelbar nach dem Krieg hatte die NSB einen schweren Stand, denn das durch einen Luftangriff 1945 zerstörte Werk musste zunächst wiederaufgebaut werden. Doch bis in 50er Jahre gelang es denn Betrieb weitgehend wieder auf Vordermann zu bringen. So erreichte die Zahl der Angestellten 1954: 1.350 und sogar 1955: 1.372.

Blick auf ein aufgeschlagenes Conto Current Buch der NSB
StABT, NSB, Nr. 7

Doch von diesem Punkt an sank die Arbeiterschaft der NSB kontinuierlich, bis sie kurz vor dem Konkurs 1989 nur noch etwa 500 umfasste. Die NSB baute sein Werk nach den neuesten Standards seiner Zeit immer wieder aus, besonders sind darunter der Wiederaufbau des Werkes nach dem Zweiten Weltkrieg und der Anbau der Färbereien I. und II. zu erwähnen. Vor ihrem Ende besaß die NSB damit eines der modernsten Werke Europas mit hochwertigen Maschinen. Es wurden Baumwollgarne, -zwirne, Zellwollgarne und –zwirne, Mischgarne und –zwirne. Effektzwirne und Handarbeitsgarne, rohweiß, bunt und gebleicht hergestellt. Dabei stellte sich der Betrieb seit dem Zweiten Weltkrieg immer weiter auf Spezialartikel um.

Während der Zeit des Dritten Reiches wurden für die Kriegsproduktion Polen, Belgier, Franzosen, Russen und Ukrainer als Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter im A-Bau des Werkes untergebracht[4]. Innerhalb des Fabrikgeländes wurde außerdem eine Außenstelle des KZ-Flossenbürg errichtet[5]. Diese Forschungseinrichtung, das “Institut für physikalische Forschung”, wurde 1944 (erste Planungen können bis zum 26. Mai 1944 zurückverfolgt werden) von Nürnberg nach Bayreuth verlegt um mehr Sicherheit vor den Luftangriffen der Alliierten zu haben[6]. In der Forschungseinrichtung arbeiteten KZ-Häftlinge mit der notwendigen technischen Ausbildung. Die ersten Häftlinge kamen am 13. Juni 1944 in Bayreuth an. Diese Häftlinge wurden von einer SS-Wachmannschaft auf dem Werksgelände bewacht. Trotzdem kam es mehrfach zu Ausbrüchen. Zum einen flohen erfolglos zwei deutsche Häftlinge am 2. November 1944 (beide wurden letztlich wieder aufgegriffen) und am 21. Dezember 1944 gelang einem russischen Häftling die Flucht, dieser wurde trotz aufwendiger Suche nicht mehr gefasst[7].

Bayreuth wurde 1941 Opfer eines ersten Angriffes der britischen Luftwaffe, doch bei diesem Bombardement blieb die NSB verschont. Ein weiterer Luftangriff erfolgte unerwartet Anfang April 1945. Bei den Angriffen war das Fabrikgelände der NSB ein Ziel und wurde weitgehend zerstört, der Schaden soll sich auf 100.000 Reichsmark belaufen haben[8]. Trotz der weitgehenden Zerstörung wurde bei dem Angriff kein Arbeiter im Werk getötet und die Werksfeuerwehr war in der Lage, die Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Nach dem Krieg war der Wiederaufbau daher das erste wichtige Thema für die NSB und es wurde sodann daran gearbeitet, die in Mitleidenschaft geratenen Maschinen und Werkshallen neuer und besser wiederaufzubauen[9]. Nach dem vollständigen Wiederaufbau bis in die 1950er Jahre hinein, hörten die Baumaßnahmen bis zur Schließung der NSB nie wirklich auf. Immer wieder wurden Werkstätten erweitert, erneuert oder neu gebaut[10]. Damit wuchs die NSB bis zu ihrem Ende kontinuierlich. Die Gemeinschaftsanlagen waren auch nach dem Krieg noch großzügig und wurden zu den diversen feierlichen Anlässen der NSB genutzt, doch es sollten diese nicht mehr nennenswert erweitert werden[11].

Blick in den Gedichtband: Die Spinnerei ein Lehrgedicht
StABT, NSB, Nr.131: Lehrgedicht

Vor dem Krieg erreichte die NSB eine erhebliche Kapazität von 189.000 Spindeln und wurde zu einer der wichtigsten Stützen der Industrie in Bayreuth[12]. Besonders für die Belegschaft, welche die größte der gesamten Stadt war, stellte die NSB einen nennenswerten Anteil des Lebensalltages dar. Schon von den frühen Jahren an veranstaltete die NSB Gesellschaftsveranstaltungen für ihre Belegschaft und konnte sich im Gegenzug über deren Loyalität und Nähe sicher sein[13]. Diese Veranstaltungen behielt die NSB auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg bei und weitete sie sogar noch aus. So fanden jährliche Aufführungen mit der eigenen Theatergruppe der Erwachsenen und auch der Kinder statt und erfreuten das Publikum jeden Dezember mit Darbietungen. Aber auch Feste, vor allem Fasching, wurden jährlich gefeiert und auch ein alljährliches Sommerfest mit dazugehörigem Betriebsausflug gehörten zum Programm der NSB. Dabei blieben die unterschiedlichen Abteilungen unter sich und einige der Veranstaltungen wurden auch mehrfach abgehalten. Einmal für die Belegschaft der einen Abteilung und dann für die Belegschaft einer anderen Abteilung. Neben Betriebsveranstaltungen wurden regelmäßig durch die NSB auch Karten für Theater, Festspiel, Kino und weiteres an die Belegschaft weitergegeben.

Einen hervorgehobenen Charakter nahm außerdem der Kegel-Sport in der NSB ein, welcher nicht nur in betriebseigenen Einrichtungen dafür ausgetragen wurde, sondern für den es eigene Meisterschaften gab und bei welchem die Kegler ihre eigenen Betriebsveranstaltungen hatten[14].

Nach dem Aufschwung nach dem Krieg hin zum Wirtschaftswunder in den 1960er Jahren trübte sich die Lage für die NSB langsam. Zunächst waren die 1970er Jahre eine Phase der „Normalisierung“, in der die wirtschaftliche sich zunehmend verschlechterte. Besonders die sich zunehmend öffnenden Märkte in gesamt Europa machten der NSB Konkurrenzdruck, welchem diese durch Rationalisierungen im Betrieb begegnete. So wurde der Maschinenpark immer weiter modernisiert um eine höhere Automatisierung des Produktionsvorganges zu ermöglichen. Doch allen Anstrengungen zum Trotz machte der Strukturwandel auch der NSB langsam aber sicher zu schaffen. So verkleinerte sich die Arbeiterschaft von Anfang der 1970er Jahre an kontinuierlich und auch die Umsätze fielen zunehmend knapp aus. Bis in die 1980er Jahre kam immer wieder Hoffnung auf, doch diese erwies sich als unbegründet.

Blick auf Unterlagen zur Neuen Spinnerei Bayreuth Aktiengesellschaft, zu sehen ein Katalog und Gewinnanteilscheine der NSB
aus: StadtABT, NSB, Nr. 129

Die NSB musste 1989 die Mehrheitsanteile an den Textilhersteller Walek aus Wiener Neustadt abtreten und dieser machte große Pläne über die Modernisierung und den Ausbau des Betriebes. Die NSB sollte wieder unter die 100 größten deutschen Textilhersteller gezählt werden und dafür wurde ein umfangreiches Investitionsprogramm mit 25 bis 30 Millionen Mark angesetzt. Doch schon Ende 1990 macht die NSB Bilanzverluste. Im folgenden Jahr 1991 kommt es dann zum großen Zusammenbruch, während noch fieberhaft daran gearbeitet wird den Betrieb zu sanieren und die Gehälter der Belegschaft ausgesetzt werden, wird am 04. Oktober 1991 der Diplomkaufmann Walter Frank als Vergleichsverwalter eingesetzt. Dieser vermerkte eine Schuldenlast von 13 Millionen Mark für das Jahr 1990 (eine Zahl für die er stark kritisiert wurde, denn anderen Aussagen nach lassen sich aus den Büchern nur etwa 5 Millionen Mark herauslesen). Damit waren allerdings die Tage der NSB gezählt. Die AOK Bayreuth-Kulmbach stellte schon am 11. Oktober einen Konkursantrag für die NSB und etwa 500 Gläubiger melden ihre Ansprüche an. Im Januar 1992 gehen die Lichter im Werk aus und die letzten der nunmehr nur noch 160 Mitarbeiter werden entlassen.

Nach einiger Zeit des Verfalls wurde das Werkgelände Stück für Stück wieder nutzbar gemacht. So siedelte sich der TÜV Oberfranken und ein Hagebaumarkt Ende der 1990er Jahre an. Doch erst mit der Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden C-Baus des Werkes und dem Neubau der Ärzte- und Geschäftshäuser wurde diese Fabrikruine endgültig einer neuen Nutzung zugeführt. Der Um- und Neubau geschah dabei durch einzelne Projektgesellschaften. Heute ist es besonders der sanierte C-Bau der ehemaligen NSB, der als Wahrzeichen des neuen Gewerbegebietes fungiert.

Tim Florian Hoffarth im Juni 2022

Fußnoten

[1] Nach: Bayreuther Tagblatt: Die Neue Baumwollen-Spinnerei, Bayreuth. In: StABT NSB Nr. 43 75. Jubiläum (Presse).

[2] Nach: StABT, NSB, Nr. 23 (darin: Straßenbenennung zur Ehren des Geheimen Kommerzienrates Schüller 1927).

[3] Zwar umgaben das Werk schon früh die Gemeinschaftsanlagen und erste Arbeiterhäuser, doch die Anlagen der NSB setzen sich deutlich von der Bebauung der Stadt nördliche des Mains, westlich des Bahnhofs, ab.

[4] Nach: StABT, NSB, Nr. 26 und Nr. 27. In diesen Jahresberichten werden die Zwangsarbeiter in Listen aufgeführt und in den Produktionsablauf eingeplant.

[5] Nach: Albrecht Bald/Jörg Skriebeleit: Das Außenlager Bayreuth des KZ Flossenbürg. Wieland Wagner und Bodo Lafferentz im „Institut für physikalische Forschung“. C. u. C. Rabenstein, Bayreuth 2003.

[6] Nach: Ebd.

[7] Nach: Albrecht Bald/Jörg Skriebeleit: Das Außenlager Bayreuth des KZ Flossenbürg. Bayreuth 2003.

[8] Nach: StABT, NSB, Nr. 13: Unterlagen zur Feststellung und Bewertung von Kriegsschäden und zur Bestandsaufnahme.

[9] Dies zeigt sich in den Unterlagen direkt nach Ende des Krieges; so schon im Jahresbericht von 1945 (StABT, NSB Nr. 29), in welchem die Bemühungen beschrieben werden, eine Erlaubnis zur Wiederaufnahme des Betriebes durch das Militär Gouvernement zu erwirken. Auch schon in der Bestandsaufnahme (StABT, NSB, Nr. 13) der Kriegsschäden wird der Wiederaufbau thematisiert. Letztlich sind die Anstrengungen zum Wiederaufbau ein wichtiges Thema in der Selbstdarstellung der NSB (oder wohl eher ihrer Betriebsführung). So wird beständig auf diese Bestrebungen und Erfolge hingewiesen.

[10] Besonders die Gründung einer Färberei und später der Färberei II zeugt hier von diesem Ausbau und der „Modernisierung“ des Betriebes. Dieser Ausbau ging nicht selten auf Kosten der Belegschaft und wurde damit begründet, dass derartige Investitionen für das Überleben des Betriebes notwendig wären. Siehe: StABT, NSB, Nr. 42: Schreiben an die Belegschaft bezüglich der schweren Zeiten.

[11] Im Vergleich zum Werksgelände werden die Gemeinschaftsanlagen der NSB bis zu ihrer Schließung nicht mehr nennenswert anwachsen.

[12] Nach: StABT, NSB, Nr. 33 Jahresbericht 1950/1951: Bayreuther Tagblatt vom 30.09 1950, Artikel: “Die drei Grossen in der Bayreuther Textilindustrie”.

[13] Aus den Jahresberichten geht hervor, dass seit 1941 Gemeinschaftsveranstaltungen durch die NSB abgehalten wurden. Für ältere Veranstaltungen gibt es keine Belege.

[14] Siehe: StABT, NSB, Nr. 92 Fotos des Preiskegelns der Neuen Baumwollenspinnerei Bayreuth und StABT NSB Nr. 103 Fotos der Kegelveranstaltungen der Neuen Baumwollenspinnerei Bayreuth: Pokal-Kegeln, Meisterkegeln und Kameradschafts-Tänzchen.